Wie
Luftgeister
Herta Seibt de Zinsers Stahlskulpturen im Parkgelände um
das Herz-Zentrum Bad Krozingen
Linien
im Gras, als hätte ein Riese spielerisch dreidimensionale Figuren
in den Raum gezeichnet – oder seine ungeheure Signatur hinterlassen:
in rostfarbenem Stahl. Das reizvolle Parkgelände um das Herz-Zentrum
Bad Krozingen ist eine ideale Bühne für die raumgreifenden
Stahlskulpturen von Herta Seibt de Zinser. Ohne Scheu gesellen sie
sich zur Parkflora – suchen die Nähe von Büschen und
Bäumen, delektieren sich zwischen Lorbeer, Buchsbaum und Ahorn.
Oder sie entfalten sich in schöner Freiheit auf weiter Wiese,
dankbar und froh so viel Raum für sich selbst.
Buchstäblich aus einem Guss sind die Arbeiten: gefertigt aus
daumendickem gebogenem Eisenrohr, das sich in großen Schwingungen
und Kurven durch den Raum zieht. Manchmal schließt sich das
Rohr zu einer Endloslinie – wie diese Skulptur, die mit ihren
weichen Windungen dem organischen Formenkanon eines Hans Arp oder
Henry Moore entsprungen sein könnte. Aber wo sich die Skulpturen
von Arp und Moore zu körperhafter Konsistenz verdichten, bleibt
die Kunst von Herta Seibt de Zinser luftig–linear. Darin liegt
ihre Originalität; es will einem durchaus kein Vergleich dazu
aus der Kunstgeschichte einfallen. Federleicht, nein: schwerelos wirken
diese Skulpturen. Oft erheben sie sich auf nicht mehr als zwei „Beinen“
des Anfangs – und Endstücks der Rohre. Wenn nötig,
vermittelt ein dritter oder vierter „Fuß“ zusätzlichen
Halt – wenn die kurvenreiche Linie den Boden an weiteren Stellen
weniger sich abstützend berührt, als dass sie ihn in der
schwungvollen Bewegung mehr nur flüchtig streift. Bewegung –
tänzerisch, tänzelnd – ist überhaupt die Signatur
der Skulpturen.
Nur manchmal duckt sich eine zwischen zwei niedere Büsche. Anderwärts
streift eine Skulptur das Figürliche und lässt andeutungsweise
menschliche Gestalten statisch aus dem Gras wachsen – um sogleich
wieder amorph zu zerfließen. Bewegt wirken die Plastiken auch
in dem Sinn, dass sie mit dem Parkspaziergänger sozusagen mitwandern:
Jeder neue Standpunkt ergibt eine veränderte Ansicht, bietet
einen neuen Aspekt.
In diesem Sinne verändern die Skulpturen unaufhörlich proteusartig
ihr Gesicht. Schneiden, heiter gestimmt in schwerenlosem Sein, immer
neue Grimassen. Blicken dem Parkflaneur aus großen runden Augen
nach. Irgendwie belebt und beseelt jedensfalls wirken sie. Zweifellos
handelt es sich bei den Eisenskulpturen von Herta Seibt de Zinser
um Inkarnationen von Natur-und Luftgeistern, Materialisationen ungreifbarer,
physikalisch nicht messbarer Kräfte und Energien.
Hans-Dieter
Fronz