< textos
 

 

Arme - Beine - Köpfe in Maisenbachs Sägmühle
Peruanisch-deutsche Bildhauerin zwischen südamerikanischer Mystik und abendländischer Vernunft

BAD LIEBENZELL/MAISENBACH. Arme, Beine und Köpfe liegen in einem Atelier in der Maisenbacher Sägmühle fein säuberlich beieinander. Eigentlich gehören diese menschlichen Einzelteile – aus Ton versteht sich – auf Gestänge aus Stahlrohren und sollen so Skulpturen bilden. Geschaffen hat dies eine Bildhauerin aus Peru, die seit einiger Zeit im Maisenbacher Tal lebt: Herta Seibt de Zinser.


Vor kurzem hat Herta Seibt de Zinser zwei dieser merkwürdigen Verbindungen schaffende Gebilde aus Stahl und Ton in Stuttgart gezeigt, in einer gemeinsamen Ausstellung mit zwei weiteren südamerikanischen Künstlerinnen. Auch am Bildhauer-Symposion im inzwischen wieder geschlossenen Bad Teinacher Theater am Forellenbach hatte die Peruanerin sich beteiligt: der Erfahrungsaustausch mit anderen Bildhauern war wertvoll.
„Reflejos“ lautete der Titel der Stuttgarter Ausstellung: Überlegungen, Nachdenken, Reflexionen, Betrachtungen über Herta Seibt de Zinser: Die Künstlerin wurde in Lima, der Hauptstadt des Andenstaates geboren und wuchs dort auf. Schon immer sagte sie, interessierte sich für Zeichnen und Malen. An der Kunstakademie in Lima entdeckte Herta Seibt de Zinser die Bildhauerei, die fortan zu ihrem Medium wurde. Das unmittelbare Handwerkliche dran, das Formen mit den Händen waren entscheidende Gründe für diese Wahl.
Nach der Beendigung ihrer Ausbildung in Lima entschloß sich Herta Seibt de Zinser, nach Deutschland zu gehen. Sie spricht von Hause aus sehr gut deutsch: Ihr Vater stammt von hier. In Freiburg i. Br. Hörte sie einige Zeit Kunstgeschichte, stellte dort aus und arbeitete weiter. Nach Freiburg will die Bildhauerin auch bald wieder zurückkehren.
Zurück zum Ausgangspunkt, der Skulptur aus Teilen des menschlichen Körpers: Der Mensch ist zentrales Interesse und Motiv in der künstlerischen Arbeit Herta Seibt de Zinsers. In Bad Teinach hat sie eine Frauenfigur in den Buntsandstein-Findling gemeißelt, und im Moment formt sie eine neue Figur aus Ton. Der menschliche Körper wird auf das Wesentliche konzentriert, auf seinen eigenen Kern. Dies ist ein zentrales, entscheidendes Motiv ihrer Arbeit: Das Innerste (des Menschlichen, eines bestimmten Menschen) zu begreifen.
Erklärungen gibt Herta Seibt de Zinser zu ihren Plastiken nicht viel. Sie stellt das Objekt dem Betrachter zum eigenen Begreifen frei. Ein Werk, das nicht für sich selber spreche, meint die Bildhauerin, sei schlecht.
Der wichtigste Hinweis aber auf Herta Seibt de Zinser und ihre Arbeit ist die Herkunft. Die spirituellen Traditionen Perus sind bestimmend für ihr Denken. Mit Aberglauben, wie er auch in Peru verbreitet ist, will sie dies allerdings nicht verwechselt wissen. Das Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Traditionen, denen sie mit ihrem Aufenthalt in Deutschland ausgesetzt ist, wird Herta Seibt de Zinser als Erfahrung mitnehmen, wenn sie in einer noch nicht bestimmten Zukunft wieder in ihr Heimatland zurückkehrt: südamerikanische Mystik, abendländische Vernunft.

Ulrich Eberhard
KREISNACHRICHTEN 28/1/88

 
< textos